Neubewertung des Michelson-Morley Experiments


Michelson-Morley Interferometer

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Äther-Hypothese und der speziellen Relativitätstheorie liegt in der Definition der Lichtgeschwindigkeit. Beim Äther-Ansatz können je nach Betrachterstandpunkt von c abweichende Werte (in Bewegungsrichtung c-v und entgegen der Bewegungsrichtung c+v) auftreten. Und genau diesen Geschwindigkeitsunterschied wollten die Forscher Michelson und Morley bei ihrem denkwürdigen Experiment nachweisen. Dabei sollten Interferenzänderungen eine Reduktion der Lichtgeschwindigkeit in Bewegungsrichtung der Erde nachweisen. Der Versuch scheiterte. Es wurde der Gedanke des Äthers als Lichtmedium aufgegeben und durch Einsteins spezielle Relativitätstheorie (SRT) ersetzt.

Seit diesem Versuch wurden die abenteuerlichsten Theorien aufgestellt, um die Äthertheorie noch zu rechtfertigen. Es wurde an der Messgenauigkeit des Versuchs gezweifelt, es wurde vermutet, dass die schwere Erde mit ihrer Masse den Äther mitführt, es wurden quantenphysikalische Effekte auf der Oberfläche der verwendeten Spiegel ins Feld geführt und es gibt noch eine Reihe von Verschwörungstheorien.

Die Lösung ist weitaus einfacher als vermutet. So lange die Verfechter der Äthertheorie strikt die Effekte der Zeitdilatation und der Längenkontraktion abgelehnt haben, gab es tatsächlich keine Lösung für das Problem. Wie jedoch im Kapitel "Gültigkeit der Lorentz-Transformation im Äther" gezeigt wurde, müssen die Effekte der Zeitdilatation und der Längenkontraktion auch dann auftreten, wenn die Äther-Hypothese zutrifft.

Wird nun die Lorentz-Transformation konsequent auf die Strahlengänge des Michelson-Morley Experiements angewendet, dann stellt sich heraus, dass es genau die Zeitdilatation und die Längenkontraktion sind, die dazu führen, dass weder eine Abweichung von der Lichtgeschwindigkeit noch Interferenzänderungen auftreten. Und das obwohl in Einzelrichtung durchaus die Annahme zutrifft, dass sich aus Sicht des bewegten Betrachters die Eigengeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit hinzuaddiert bzw. davon abgezogen wird.

Eingangsbedingungen

Bei der Lorentz-Transformation und den von Einstein verwendeten Formeln wird lediglich zwischen den Originalwerten (l und t) und den transformierten Werten (l' und t') unterschieden. Dies führt immer wieder zu Verwechslungen und Berechnungsfehlern.

Um dies zu vermeiden, soll zwischen folgenden fünf Perspektiven unterschieden werden:
Perspektive 0 steht für das absolut ruhende System
Perspektive V steht für den Strahlengang parallel zur Bewegung aus Sicht des ruhenden Betrachters
Perspektive M steht für den Strahlengang parallel zur Bewegung aus Sicht des bewegten Betrachters
Perspektive H steht für den Strahlengang senkrecht zur Bewegung aus Sicht des ruhenden Betrachters
Perspektive T steht für den Strahlengang senkrecht zur Bewegung aus Sicht des bewegten Betrachters
In den mathematischen Herleitungen werden alle Variablen mit der Bezeichnung der jeweiligen Perspektive indiziert. Somit sind Verwechslungen und Bezugsfehler ausgeschlossen.

Zudem muss noch zwischen dem Spiegelabstand (=Länge l) und der tatsächlichen Strecke s, die ein Lichtstrahl gegenüber dem ruhenden System zu überbrücken hat, unterschieden werden.

Um nachweisen zu können, dass sowohl die SRT gültig, als auch ein absolut ruhendes Bezugssystem zulässig ist, muss für beide Modelle gelten, dass es beim Michelson-Morley-Experiment zu keinem Zeitpunkt zu messbaren Interferenzänderungen kommen kann. Diese Bedingung wird dann erfüllt, wenn die Anzahl von Wellenmaxima über die gesamt durchlaufene Strahlenstrecke immer konstant bleibt, unabhängig davon, wie schnell sich ein System bewegt, in welche Richtung es sich bewegt und welcher Betrachterstandpunkt eingenommen wird.

Berechnung der Wellenmaxima in Bewegungsrichtung

Sollte es ein absolut ruhendes Bezugssystem geben, so muss sich ein Lichtstrahl gegenüber einem bewegten System, je nach Bewegungsrichtung um die Geschwindigkeit v schneller, bzw. langsamer ausbreiten. Dies bedeutet, dass ein Lichtstrahl in Bewegungsrichtung längere Zeit benötigt um die Strecke l zu überbrücken. Analog dazu müssen sich die Geschwindigkeiten von Licht und bewegtem System in Gegenrichtung addieren, die Laufzeit des Strahls verkürzt sich entsprechend. Für beide Richtungen benötigt der Lichtstrahl in einem bewegten System immer etwas länger als in einem ruhenden System. Ist dies jedoch der Fall, so muss die gemessene Lichtgeschwindigkeit gegenüber dem ruhenden System abweichen und es ist zu erwarten, dass die Symmetrie des Lichtstrahls gestört ist, was zu einer Verschiebung der Wellenmaxima und somit zu einer Veränderung der Interferenzmuster führt. (mathematische Herleitung [152 KB] )

Einfluss von Längenkontraktion und Zeitdilatation

Wie eingangs schon gezeigt, besteht jedoch kein Zweifel an der Gültigkeit der Zeitdilatation und der Längenkontraktion. Betrachten wir daher den Versuch aus relativistischer Sicht unter Einbeziehung aller gemessener Werte die wir auf ein ruhendes Bezugssystem transformieren. Zunächst müssen wir also die Verkürzung der Strecke l in Bewegungsrichtung gemäß der Formel für die Längenkontraktion berücksichtigen. Zudem müssen alle gemessenen Zeiten mit dem Gamma-Faktor für die Zeitdilatation korrigiert werden. Doch obwohl die Längenkontraktion und die Zeitdilatation in die Berechnung für den Michelson-Morley-Versuch eingeflossen sind, ergibt sich für die Anzahl der Wellenmaxima immer noch eine geringe Abweichung, die mit heutigen Versuchen auf jeden Fall nachgewiesen werden könnte. Es muss also noch einen Faktor geben, der bei der Korrektur zu berücksichtigen ist. (mathematische Herleitung [165 KB] )

Zeitdilatation der Frequenz

Bei genauerer Untersuchung stellt sich heraus, dass ein zeitabhängiger Faktor noch nicht kompensiert wurde, nämlich die Frequenz. D.h. in dem durch die Zeitdilatation verlangsamten System erscheint die Frequenz wie im Zeitraffer höher als aus Sicht eines ruhenden Beobachters. Es handelt sich hierbei nicht um den optischen Dopplereffekt, der dann auftritt, wenn sich eine Lichtquelle auf einen Betrachter zu oder von ihm weg bewegt. Im Fall des Michelson-Morley Experiments bewegen sich Lichtquelle und Betrachter mit der gleichen Geschwindigkeit, es tritt also kein optischer Dopplereffekt auf. Dennoch muss die Frequenz f als inverse Funktion der Zeit berücksichtigt, und auch auf sie der inverse Gamma-Faktor für die Zeitdilatation angewandt werden. Dieser Effekt wird auch als transversaler Dopplereffekt bezeichnet (mehr dazu...). Nun kürzen sich die beiden Kompensationsfaktoren und somit die Relativgeschwindigkeit heraus. Das bedeutet, egal wie schnell sich ein Inertialsystem bewegt, es wird in Bewegungsrichtung immer die gleiche Anzahl an Wellenmaxima wie im ruhenden Zustand zu messen sein. (mathematische Herleitung [150 KB] )

Beispiel: Wellenmaxima in Bewegungsrichtung


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Im nebenstehenden Beispiel wird ein Lichtstrahl zwischen zwei Spiegeln im Abstand von 3,0µm reflektiert. Im ruhenden System durchläuft der Lichtstrahl 10 Wellenmaxima, pro Richtung jeweils 5 Maxima. Wird das System nun mit 35% der Lichtgeschwindigkeit linear bewegt, so verschiebt sich die Anzahl der Maxima. In Bewegungsrichtung sind es nun 7 und entgegen der Bewegungsrichtung 3. Der Grund ist der, dass der Lichtstrahl in Bewegungsrichtung hinter dem Spiegel hereilt und somit einen längeren Weg überbrücken muss, entgegen der Bewegungsrichtung kommt ihm der erste Spiegel entgegen und verkürzt somit den Weg. Aufgrund der Zeitdilatation erscheint dem bewegten Beobachter die Lichtfrequenz höher als dem ruhenden Beobachter, das schlägt sich in der dargestellten Länge der beiden Wellenzüge nieder. Somit erhält der bewegte Beobachter auch für die Geschwindigkeitsmessung des Lichtstrahls in beide Richtungen den Wert von 100% c. Der unbewegte Beobachter ermittelt jedoch nur 88% c gegenüber dem bewegten System. Die genaue Berechnung zu diesem Beispiel kann hier als Excel-Datei heruntergeladen werden.

Wellenmaxima senkrecht zur Bewegungsrichtung


Nun gilt es jedoch auch zu untersuchen, wie sich bei dieser Transformation die Wellenmaxima senkrecht zur Bewegungsrichtung verhalten. Denn auch hierfür muss gelten, dass die Anzahl der Wellenmaxima konstant ist. Da senkrecht zur Bewegungsrichtung keine Längenkontraktion auftritt, ist zunächst anzunehmen, dass zur Berechnung der Wellenmaxima alle Ruhewerte genutzt werden können. Da jedoch die Zeitdilatation für alle Richtungen gilt, muss sie sowohl auf die Laufzeiten, als auch auf die Emissionsfrequenz angewandt werden. Unter diesen Bedingungen zeigt sich, dass die Anzahl der Frequenzmaxima deutlich von den Werten parallel zur Bewegungsrichtung abweichen. Dieses Ergebnis ist überraschend, da sich eigentlich der senkrecht zur Bewegung laufende Lichtstrahl so verhalten sollte, wie im ruhenden System. Doch bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, dass dem nicht so ist.

Zunächst muss davon ausgegangen werden, dass die Zeit für alle Richtungen eines Inertialsystems gleichermaßen verzögert wird und somit auch auf alle Achsen die Zeitdilatation angewandt werden muss. Doch betrachten wir den senkrecht zur Bewegung verlaufenden Lichtstrahl, so wird deutlich, dass der Strahl in Wirklichkeit eine wesentlich größere Strecke durchqueren muss, als im ruhenden System, da er ein gleichschenkliges Dreieck beschreibt, das immer flacher wird, je schneller sich das System bewegt (siehe nebenstehende Grafik ). Die größeren Laufzeiten des Strahls kompensieren sich jedoch mit der Zeitdilatation, so dass der bewegte Beobachter, keinen Unterschied zum ruhenden System feststellen kann. Da aufgrund der Zeitdilatation auch die Strahlungsfrequenz verlangsamt (transversaler Dopplereffekt) und somit die Wellenlänge vergrößert wird, durchläuft der Lichtstrahl trotz längerer zu überbrückender Weglänge genau so viele Wellenmaxima, wie im ruhenden System. (mathematische Herleitung) [186 KB]

Auswirkungen auf das Michelson-Morley Experiment


In diesem Beispiel treten im ruhenden System sowohl am Längs- als auch am Querarm des Michelson-Morley Interferometers zwei komplette Wellenzüge auf, in Hin- und Rückrichtung sind das je Arm vier Wellenzüge. Dabei sind folgende Zeitpunkte wichtig: zum Zeitpunkt t0 wird der Strahl in Quer- und Längsrichtung aufgespaltet, nach genau der halben Zeit (Zeitpunkt t1) wird der Strahl am Ende des Querarms reflektiert, zum Zeitpunkt t2 wird der Strahl am Ende des Längsarms reflektiert, wobei t2 = t1 nur für das ruhende System gilt und zum Zeitpunkt t3 treffen beide Strahlengänge auf dem Beobachtungsschirm zusammen und werden zur Interferenz gebracht. (Grafik vergrößern )


In einem System, das mit 25% c bewegt wird, ist die Wellenlänge aufgrund der Zeitdilatation so stark gedehnt, dass trotz längerem Weg entlang des Querarms je Richtung weiterhin nur 2 Wellenmaxima auftreten. Entlang des Längsarms, der aufgrund der Längenkontraktion verkürzt ist, tritt ebenfalls die Dehnung der Wellenlänge auf. Da sich das System unter dem Lichtstrahl wegbewegt, muss er in Bewegungsrichtung 2,5 statt lediglich zwei Wellenzüge durchlaufen. Entgegen der Bewegungsrichtung addiert sich die Bewegungsgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit, so dass der Lichtstrahl nur 1,5 Wellenzüge benötigt, um am Beobachtungsschirm anzukommen. In Summe benötigt der Lichtstrahl in beide Richtungen wie im ruhenden System nur vier Wellenzüge. (Grafik vergrößern )


In einem System, das mit 50% c bewegt wird, wird die Wellenlänge aufgrund der Zeitdilatation noch stärker gedehnt, so dass am Querarm je Richtung weiterhin nur zwei Wellenzüge benötigt werden. Am Längsarm benötigt der Lichtstrahl nun drei komplette Wellenzüge um den Spiegel zu erreichen. In Gegenrichtung erreicht er bereits nach einem Wellenzug den Beobachtungsschirm. Auch in diesem Fall werden in Summe weiterhin nur vier Wellenzüge benötigt. Egal wie schnell sich das System bewegt, das Verhältnis der Wellenzüge in beide Richtungen ist aufgrund Zeitdilatation, Längenkontraktion und transversalem Dopplereffekt stets konstant. (Grafik vergrößern )

Fazit

Mit den bisherigen Transformationen konnte eindeutig gezeigt werden, dass aus Sicht eines unbewegten Betrachters unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit immer die gleiche Anzahl an Wellenmaxima gemessen werden muss. Doch wie steht es um die Anzahl an Wellenmaxima aus Sicht des bewegten Systems? Vergleichen wir einfach die Anzahl der errechneten Wellenmaxima mit den Schlaglöchern einer Straße. Es ist dabei gleichgültig, von welchem Betrachterstandpunkt aus beobachtet wird, über wie viele Schlaglöcher ein Auto rast. Sowohl der unbewegte Beobachter als auch der bewegte Beobachter werden die gleiche Anzahl an Schlaglöchern bzw. Wellenmaxima zählen.

Die konsequente Anwendung der Lorentz-Transformation auf die Ätherberechnung des Michelson-Morley Experiments zeigt aber auch, dass in die jeweiligen Einzelrichtungen sowohl die Relativgeschwindigkeiten als auch die Anzahl an Wellenmaxima abhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit deutlich abweichen. Trotz unterschiedlicher relativer Lichtgeschwindigkeit für die Einzelstrecken ergibt sich für den bewegten Betrachter aus der Summe beider Richtungen jedoch eine stets konstante Anzahl der Wellenmaxima, sowie ein konstantes c (mehr dazu...).

Mit anderen Worten, in Systemen, auf die sowohl die SRT als auch das Äthermodell zutrifft, kann das Michelson-Morley Experiment zu keinen Interferenzverschiebungen führen. Somit eignet sich dieser Versuch auch nicht, Aussagen darüber zu treffen, ob sich die Lichtgeschwindigkeit in eine Bewegungsrichtung schneller oder langsamer als im ruhenden System ausbreitet.


© Andreas Varesi 6.2005-2006 / Stand: 8.1.2006 / Besucher